Auf den Spuren der Evolution – was Zähne über unsere Menschheitsgeschichte verraten

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Photo by Ksenia Kudelkina on Unsplash

Wussten Sie, dass sich aus Zähnen mehr über die Lebensweise früher Menschen und ausgestorbener Tiere und deren Umwelt herauslesen lässt als aus versteinerten Knochen? Natürlich verraten Form und Aufbau viel über die Lebens- und Verhaltensweisen von damals, aber inzwischen ist die Forschung ein ganzes Stück weiter: Die Analyse von Abnutzungsspuren, Gebisszustand und chemischem Aufbau der Zahnsubstanz macht es möglich, Umwelt und kulturelle Zusammenhänge, Ernährungsstrategien und den täglichen Speiseplan von damals dreidimensional zu rekonstruieren.

Dank der modernen archäologischen Forschung, die sich mehr und mehr über interdisziplinäre Untersuchungsmethoden definiert, werden diese Rekonstruktionsversuche immer genauer. Auf jeder archäologischen Expedition finden sich daher neben reinen Archäologen auch Archäobotaniker und Archäozoologen, die Laborproben für paläontologische Erkenntnisse sammeln.

Die besten Entdeckungen liegen im Detail

Bei der Untersuchung des Gebisses eines Neandertalers, das Ende der 50er Jahre im französischen Le Régourdou gefunden wurde, ließ sich anhand der Kratzspuren auf den Zahnflächen Folgendes feststellen: Das männliche Individuum wurde 20 Jahre alt – und war Rechtshänder. Dafür sprachen die vielen feinen Rillen, die von rechts oben nach links unten führten. Bei Linkshändern verhält sich dieses Muster genau andersherum. Man muss dazu sagen, dass Neandertaler ihr Gebiss viel mehr beanspruchten als der moderne Homo sapiens, denn es diente als „dritte Hand“, außerdem standen zähe Kost wie Fleisch und Wurzeln an der Tagesordnung.

Die Zusammensetzung des Zahnschmelzes zeigt an, wie lange ein Mensch gestillt wurde. Bei diesem Verfahren bestimmen die Forscher mit einem Massenspektrometer das Verhältnis der beiden Elemente Strontium und Kalzium im Zahnschmelz. So kann untersucht werden, wie lange nomadisch lebende Jäger-und-Sammler-Kulturen ihre Kinder stillten oder wie die Ernährung von Kindern solcher Kulturen aussah, die am Anfang landwirtschaftlich geprägter Subsistenzstrategien standen.

Die Leiden des alten „Ötzi“

Die wohl berühmteste Gletschermumie aller Zeiten ist zweifelsohne der Anfang der 90er Jahre durch Zufall entdeckte Mann aus der Bronzezeit „Ötzi“. Die DNA-Analysen machen klar: Er hatte braune Augen, vertrug keinen Milchzucker, besaß ein erhöhtes Infarktrisiko durch Arteriosklerose und litt an Borreliose. Auch scheint es keine lebenden Nachkommen von ihm zu geben. Sein Zahnstatus legt zudem nahe, dass der verunglückte bzw. ermordete Mann aus dem Eis an Zahnabschleifungen, Paradontitis, und Karies litt. Außerdem hatte er einen, vermutlich unfallbedingt, abgestorbenen Frontzahn. Vor allem im Bereich der Molaren ließ sich ein Verlust des parodontalen Stützgewebes feststellen, der beinahe die Wurzelspitze erreichte.

Zahnarchive: Welche Geheimnisse in Isotopen und DNA von Zähnen stecken

Die (nicht immer genaue) zeitliche Einordnung von Funden, Knochen- und Zahnmaterial mittels der Radiokarbonmethode, ist in der Archäologie nicht erst seit gestern Standard. Die sogenannten Isotopenanalysen sind hingegen relativ neu. Mit ihrer Hilfe lässt sich ablesen, wo jemand zur Welt gekommen ist oder wo er die letzten Jahre seines Lebens verbracht hat. Denn „Isotope“ – Varianten eines Elements mit unterschiedlich vielen Neutronen im Atomkern – sind regional unterschiedlich in ganz bestimmten Mengenverhältnissen zueinander anzutreffen. Den Zähnen kommt im Rahmen dieser neuen Methode eine besondere Rolle zu: Menschliche Knochen erneuern sich nämlich etwa alle sieben Jahre – bei den Zähnen verhält es sich anders. Sie haben die Isotopie der Mutter angenommen und behalten diese bei. Der Ort der Geburt ist damit in den Zähnen quasi „archiviert“.

Aber auch über die Ernährung geben die kostspieligen Isotopenanalysen Auskunft: Zum Beispiel, ob jemand hauptsächlich Fisch gegessen hat und entsprechend ein Küstenbewohner war. Häufiger Konsum von Fleisch könnte (zumindest in sozial stratifizierten Gesellschaften) darauf hindeuten, dass man der sozialen Oberschicht angehörte, während Vegetarier wohl eher dem ärmeren Teil der Bevölkerung zuzurechnen waren.

  

 

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