Pubertät – Was passiert im Gehirn eines Teenagers?

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Photo by Matheus Ferrero on Unsplash

Zugegeben, die Lehrerin war alt. Sehr alt. Oder vielleicht kam es mir nur so vor, weil ich so jung war. Jedenfalls dachte mein Klassenkamerade, dass ihr seine Eskapaden gar nicht auffallen würden. Es ging los als er und seine Freunde in der Ecke des Klassenzimmers eines Nachmittags kicherten wie 10 Jährige das so gerne tun. Er nahm sein Deo aus der Tasche, sprühte es auf seine Schuhe und ging zur Tafel, wo sich die Lehrerin gerade mit einem anderen Schüler unterhielt. Sie stand mit dem Rücken zu ihm während er seine Schuhe anzündete. Zwei bescheidene Flammen krönten seine Schuhe in nur wenigen Sekunden. Die Lehrerin drehte sich zu ihm. Er stellte eine Frage und sie antwortete ohne einen Kommentar über die Schuhe zu verlieren – sie wollte vermutlich überhaupt nicht darauf eingehen.

Manchmal kann man über den Blödsinn nur staunen, den Jugendliche veranstalten. Zum Teil ist er auf Gruppenzwang und mangelnde Erfahrung zurückzuführen. Doch das Verhalten von Jugendlichen muss man auch in Verbindung mit dem Prozess der Pubertät verstehen. Diese holprige Übergangsphase bringt sehr viele Veränderungen im Gehirn mit sich, die schlechte Entscheidungen und auffälliges Verhalten zur Realität machen. Als Erwachsene können wir dieses Verhalten, mit all dem Unfug und knallenden Türen, meist nicht gutheißen. Aber vielleicht können wir etwas mehr Verständnis entwickeln, indem wir uns die Vorgänge im Gehirn eines Teenagers mal genauer anschauen.

Gehirnstrukturen

Am Anfang der Pubertät wächst die graue Substanz der Großhirnrinde – der Bereich, in dem sich Nervenzellen und Synapsen befinden. Diese entstehen überwiegend während der Kindheit. Ein großer Teil davon wird allerdings wieder aufgelöst und nur die, die regelmäßig gebraucht werden, bleiben übrig. Gleichzeitig werden Nervenfasern ausgebaut, sodass Informationen zwischen Zellen schneller überliefert werden können. Somit wächst die sogenannte weiße Substanz. Im Prinzip bedeutet das, dass Jugendliche genauso schnell denken könnten wie ihre Eltern. Aber…diese “Schnelligkeit” betrifft am Anfang lediglich die Hirnteile, die für die Kontrolle der Bewegungen, die Wahrnehmung, die Orientierung und die Sprache genutzt werden. Da sich manche Regionen in einem langsameren Tempo verändern als andere, wird das Verhalten des Teenagers übergangsweise noch stark vom limbischen System geleitet.  

Dieses System spielt eine große Rolle in der Steuerung der Emotionen. Der Mandelkern – wo externe Reize verarbeitet werden – kommt in dieser Hinsicht stark zum Einsatz. Ebenso hat der Nucleus accumbens mit seinen Dopaminrezeptoren einen heftigen Einfluss. Dopamin ist das Glückshormon. Da Jugendliche jedoch noch relativ wenige Dopaminrezeptoren haben, brauchen sie viel extremere Reize, um positive (glückliche) Gefühle zu empfinden als Erwachsene. Das erklärt, warum sie oft so risikobereit sind. Selbst wenn sie die eigenen Schuhe in Flammen setzen müssen, tun sie das, um den “Kick” zu erleben.

Gehirnprozesse

Forschungen zeigen, dass die Verarbeitung von Emotionen bei Teenagern anders verläuft als bei Erwachsenen. Das liegt daran, dass solche Prozesse in anderen Hirnarealen stattfinden. Das hilft uns vielleicht dabei, ihre drastisch unterschiedlichen Reaktionen zu verstehen.

In einer Studie wurden Erwachsenen und Jugendlichen Porträtfotos von Menschen mit zorniger, fröhlicher, verärgerter oder aggressiver Mimik gezeigt. Die Aufgabe bestand darin, die Emotionen zuzuordnen. Dabei beobachteten die Forscher, welche Gehirnteile der Jugendlichen aktiv waren.  

Die Teenager nutzen ein Areal namens Amygdala für diese Aufgabe. Aus diesem Areal stammen schnelle (leicht durchdachte) Entscheidungen. Unter Erwachsenen hingegen läuft die Zuordnung im frontalen Cortex – ein Hirnteil, der für komplexere Gedankengänge zuständig ist – ab. Diese Ergebnisse bieten eine Erklärung für die oft chaotischen und impulsiven Reaktionen von Teenagern.

Erkrankungen

Die Jugend ist nicht nur eine Zeit der Selbstfindung. Leider ist man während dieser Phase auch anfälliger für psychische Erkrankungen wie Depression. Das trifft besonders auf Frauen zu. Ein wichtiger Faktor ist die unterschiedliche Durchblutung im männlichen und weiblichen Körper. Das Gehirn von Mädchen wird allgemein besser durchblutet als das der Jungen. Das geht aus einer Studie an der Heidelberger Universität hervor. Forscher registrierten einen erhöhten Blutdurchfluss in den vorderen weiblichen Hirnarealen, welche für das soziale Verhalten und das Gleichgewicht der Emotionen zuständig ist. Die Forscher schließen daraus, dass die Mehrdurchblutung unter Mädchen sie anfälliger für Affekt- oder Angststörungen bis hin zu Depression macht.

Fazit

Jugendliche können ganz schön anstrengend sein. Dagegen kann man nichts tun. Aber vielleicht mit ein bisschen mehr Verständnis, können auch Sie die großen Hormonwellen der Pubertät überstehen – sei es die Ihrer Schüler, Nichten, Neffen oder Ihrer eigenen Kinder. Wenn nicht, können Sie sich zumindest mit dem Gedanken trösten: Irgendwann ist es auch vorbei. Schauen Sie sich selbst an…Sie waren bestimmt als Jugendliche/r mal etwas anstrengend und es ist (mehr oder weniger) gut ausgegangen, oder?

 

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